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Tierarztwissen für Tierbesitzer

Natürlicher Schutz gegen Zecken und Co?

Von Dr. Judith Lubjuhn-Fischer
Die Prophylaxe gegen sogenannte Ektoparasiten (hier vor allem Zecken, aber auch Flöhe, Mücken und Milben) ist in der tierärztlichen Praxis quasi ein tägliches Thema, vor allem im Frühjahr, wenn die Zeckensaison beginnt.
Und dabei hört man als Tierarzt in der Behandlung quasi täglich die folgenden Worte „ich will keine Chemie in meinem Tier, ich will nur pflanzliche und/oder homöopathische Therapeutika“.


Pflanzliche und "Natürliche" Mittel gegen Zecken

Da steht man dann als Tierarzt: bis dato gibt es außer im Bereich der Anekdoten liegenden Erzählungen und Erfahrungsberichten von Tierbesitzern keinen einzigen wissenschaftlich belegten Beleg für die Wirksamkeit von Bernsteinhalsbändern, Kokosöl, Teebaumöl oder gar Knoblauch. Aus tiermedizinischer Sicht sind diese Mittel gegen Ektoparasiten nicht nur unwirksam (Zitat einer Parasitologie Professorin bei der Frage, ob Bernstein gegen Zecken helfe: „Natürlich, wenn Sie fest genug damit drauf hauen“), einige dieser „natürlichen Mittel“ sind darüber hinaus potentiell schädlich (Knoblauch, Teebaumöl).



Nicht jedes sogenannte "natürliche" Mittel ist auch sanft und ungefährlich- einmal verhindern sie durch Unwirksamkeit mit Sicherheit nicht die Übertragung von potentiell tödlichen Erkrankungen,  sie können auch selbst gefährlich für den Patienten wirken (zum Beispiel Blutarmut durch Knoblauch, Magenschleimhautentzündung durch Teebaumöl).


Auch wenn das viele Menschen die auf „sanfte, natürliche Mittel“ schwören das natürlich nicht gerne lesen werden. Dieses Thema ist derart prominent, hierzu hat auch die ESCCAP auf ihrer HP Stellung genommen (Link: www.esccap.de/alternative-mittel-gegen-zecken-und-floehe-ein-unterschaetztes-risiko-fuer-katze-und-hund/).
Aber warum ist es uns Tierärzten denn so wichtig, dass etwas wirkt? Schließlich haben hunderte Hunden tausende Zecken, und die fallen nicht alle tot um…
Es gab eine Studie in Wien die zeigte, dass nur weil die Hunde nicht klinisch an einer zeckenübertragenen Erkrankung erkranken, sie dennoch eindeutig eine Infektion durchgemacht haben- und zwar jeder zweite der untersuchten Hunde. Grund hierfür war der nicht lückenlose Zeckenschutz.
Aber warum sollte das eigentlich wichtig sein?
Da fällt jedem Hundebesitzer zumeist als Allererstes die Borreliose ein. Die ist für uns Tierärzte aber nicht das Hauptthema, denn der Nachweis von Borrelien-Antikörpern ist nicht gleichbedeutend mit einer Erkrankung, lediglich der direkte Nachweis des Erregers selbst gilt als Beweis einer aktiven Infektion. Und der direkte Erregernachweis findet sehr selten statt.


Babesiose

Es gibt aber weitere relevante Erkrankungen: Die Babesiose (auch Hundemalaria genannt). Dies ist eine der ehemals klassischem Mittelmeerkrankheiten, die mittlerweile jedoch auch bei uns heimisch geworden ist -ca. 30-40% der jährlichen Neuinfektionen in Deutschland sind hier erworben und nicht im Ausland.


Anaplasmose

Mittlerweile ist auch die von Zecken übertragene Canine Anaplasmose in Deutschland fest etabliert, so dass auch Hunde, die Deutschland nie verlassen haben an Anaplasmose erkranken können.


Leishmaniose

Weiterhin treffen wir in Süddeutschland immer häufiger auf Sandmücken, welche die gefürchtete Leishmaniose übertragen. Es wurden auch mittlerweile Infektionen bei Hunden nachgewiesen, die Deutschland nie verlassen haben.


Zitat von esccap.de: Dabei ist ein lückenloser Zeckenschutz entscheidend dafür, dass ein Hund vor einem Befall mit Zecken und der damit möglichen Übertragung von Krankheitserregern geschützt wird, denn: Je nach Erreger kann die Übertragung von der Zecke auf das Haustier bereits innerhalb von 30 Minuten nach dem Biss beginnen!
Somit ist klar, was aus tiermedizinischer Sicht absolut wichtig ist: Das Haustier soll überhaupt nicht von irgendwas gestochen werden! Das gilt noch umso mehr, wenn man sich mit seinem Vierbeiner südlich der Alpen aufhält.


Leitlinien zur Prophylaxe

Diesem Thema hat sich die esccap angenommen und Leitlinien zur Behandlung gegen VBD (Vector Borne Disease) erarbeitet.
Solche Leitlinien machen uns Tierärzten auf der einen Seite das Leben leicht: anerkannte Experten auf ihrem Gebiet haben sich die Mühe gemacht und Handlungsempfehlungen zu einem Thema herausgegeben. Wenn ich mich als praktische Tierärztin an genau diese Empfehlungen halte, bin ich in meiner täglichen Arbeit rechtssicher.
Wenn ich mich anders verhalte/anders berate als in den Leitlinien aufgeführt mache ich mich fachlich und juristisch angreifbar.
Ein Beispiel: selbst wenn alle begeistert sind und auf die Wirkung von Schwarzkümmelöl schwören und ich eventuell bei meinem eigenen Hund schon selbst gute Erfahrungen damit gemacht habe- rate ich als behandelnder Tierarzt meinen Tierbesitzern zu Schwarzkümmelöl als Zeckenprophylaxe und der Hund stirbt an einer zeckenübertragenen Erkrankung, verliere ich im Falle einer Klage des Tierbesitzers mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Fall.
Deswegen hält man sich als Tierarzt in der Regel an wissenschaftlich belegte Daten und Empfehlungen- und das ist nun mal nicht Schwarzkümmel-, Teebaum-, oder Kokosöl, Knoblauch, Keramik- oder Bernsteinketten, sondern apothekenpflichtige, industriell gefertigte pharmazeutische Präparate.
Diese gibt es mit insektizider/akarizider (abtötender) und repellierender (abstoßender) Wirkung.
Wie man weiter oben gelesen hat, kann eine Übertragung von Krankheiten bereits kurze Zeit nach dem Biss stattfinden. Dementsprechend kann nur ein Insekt welches nicht erst beißen kann oder sofort abstirbt ein gutes Insekt sein.


Zeckenabwehrende und -abtötende Medikamente

Innerhalb dieser Gruppe der repellierenden Präparate, den sogenannten Pyrethroiden, gibt es Sowohl Spot-on Präparate für den Nacken (nur für Hunde zugelassen, führt bei Katzen zur lebensgefährlichen Vergiftungen!), als auch Halsbänder. In den Halsbändern ist das Pyrethroid  in niedriger Dosierung vorhanden, so dass es auch für Katzen verträglich ist- in Form eines Halsbandes ist es in Deutschland für Katzen zugelassen.
Mittlerweile fest etabliert auf dem veterinärmedizinischen Markt sind die sogenannten Zeckentabletten. Diese wirken insektizid und akarizid und töten je nach Tablette zwischen 28 Tagen und 3 Monaten alle Ektoparasiten ab die das Tier beißen.
Das funktioniert sehr gut bei Anaplasmose, neuerdings gibt es bei einigen Tabletten auch die Zulassung zur Wirksamkeit gegen Babesiose.
Da bei Tabletten keinerlei Wirkstoff außen am Tier ist, sind diese oftmals für Tierhalter mit kleinen Kindern attraktiv, da keinerlei Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten sind wie man sie von SpotOn Präparaten oder Halsbändern kennt.
Auch wenn ich immer wieder höre: ich reibe meinen Hund täglich mit Kokosfett ein, wir hatten dieses Jahr nur 8 Zecken- bei einer regionalen Wahrscheinlichkeit von bis zu 60% aller Zecken als Infektionsüberträger hat man rein statistisch Grund zur Sorge. Abgesehen davon, dass man als Tierarzt nach einem solchen nach Kokosmakronen duftenden Patienten oftmals Heißhunger auf Raffaelo bekommt,  nach deren Untersuchung hat man auch einen nur schwer zu entfernenden Fettfilm auf den Händen, der Kleidung, dem Tisch, dem Boden…. Einfach überall!
Oftmals höre ich auch: zu Beginn des Jahres war es schlimm, aber jetzt wirkt mein Öl/Stein/Kette oder was auch immer. Naja, meist beginnt die „Wirkung“ ab Juni- dann ist die Zeckenhochzeit oftmals eh am Abflauen, da kann man natürlich Allem eine Wirkung attestieren wenn der Vierbeiner weniger Zecken hat. Und natürlich gibt es wie bei Menschen auch unterschiedliche Attraktivität bei verschiedenen Individuen.
Und natürlich kenne ich die Sorge vor Nebenwirkungen durch die „Chemie“ der Pharmaindustrie, aber: Die von Zecken und Co. und den von ihnen übertragenen Erkrankungen ausgehenden Risiken halte ich für viel gefährlicher als die potentiellen Nebenwirkungen der nachweislich gut wirksamen Präparate.
Deswegen beraten wir in unserer Praxis nach aktuellem Stand des Wissens und konform den Leitlinien. Hierfür haben wir verschiedene Präparate in verschiedenen Formulierungen vorrätig, denn nicht jeder Patient kommt mit jedem Präparat gleich gut klar. Wichtig ist uns,  Ihnen ein anerkannt wirksames und nach wissenschaftlichen Leitlinien erprobtes Präparat zu empfehlen- unser Ziel ist nämlich wo immer möglich die Prophylaxe der Erkrankungen.
Die Entscheidung ob und welches Präparat sie für Ihren Vierbeiner anwenden obliegt natürlich Ihnen- die Informationen zu den vermeidbaren Risiken zeckenübertragener Erkrankungen haben Sie nun. 

Sollten Sie noch Fragen haben, sprechen Sie uns darauf an.


Dr. Judith Lubjuhn-Fischer, Michelstadt 2023
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