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Die Schilddüsenunterfunktion beim Hund
Von Dr. Judith Lubjuhn-Fischer
Die Schilddrüsenunterfunktion (SDU, medizinisch: Hypothyreose) ist eine der häufigsten endokrinologischen Erkrankungen des Hundes. Leider auch die am meisten überdiagnostizierte Erkrankung.


Warum ist das so?
Die Schilddrüse ist eine Diva. Punkt. Und als Diva mag sie einige Dinge nicht: Stress, Müdigkeit, Bauchschmerzen, Krankheitsgefühl, Infektionen, zu wenig Sonne, zu viel Sonne…. Und dann? Dann macht sie gar nix mehr.
Und das messen wir dann im Blut: zu wenig Schilddrüsenhormon („T4“).


Die Funktion der Schilddrüse

Aber wie funktioniert das System Schilddrüse eigentlich? Ich gebe einen kurzen Überblick zum Verständnis, hoffentlich nicht zu trocken.
Die Schilddrüse sitzt am Hals unterhalb des Kehlkopfes und bildet dort Hormone die einfach gesagt den Stoffwechsel im Körper und damit den Energiehaushalt regulieren (T3 und T4). Der T4- Wert ist derjenige, der routinemäßig gemessen wird, wenn wir uns die Schilddrüse im Labor ansehen.
Bei einer Unterfunktion werden nicht ausreichend Hormone produziert, was sich auf den gesamten Körper auswirkt und sich in typischen Symptomen äußert. Diese bieten uns Tierärzten einen Hinweis auf eine mögliche Erkrankung, was dann mittels Laboruntersuchungen bestätigt werden kann.
Zu den klassischen Symptomen gehören Antriebs- und Energielosigkeit, dünnes Haarkleid, tws. dunkle Verfärbungen der Haut, großer Appetit, Übergewicht (teilweise trotz gleichbleibender Futtermenge und Bewegung) und „Traurigkeit“, aber auch bei wiederkehrenden Ohrentzündungen und Juckreiz sollte man die Schilddrüse als Ursache nicht vergessen.
In über 95% der Schilddrüsenunterfunktionen liegt eine sogenannte primäre Unterfunktion vor- bedingt durch eine immunbedingte Entzündung im Schilddrüsengewebe, deren auslösende Ursachen sind -ähnlich bei der Hashimoto- Thyreoiditis des Menschen- noch nicht abschließend geklärt. Allerdings scheint eine angeborene Prädisposition zu geben, da manche Hunderassen ein höheres Risiko zur Entwicklung dieser Krankheit haben.
Bereits früh im Leben beginnt das Immunsystem Antikörper gegen Schilddrüsengewebe zu bilden und somit diese zu zerstören. Diese Zerstörung verläuft über längere Zeiträume von etwa 1- 5 Jahren unbemerkt. Und erst wenn ca. 75% des Drüsengewebes zerstört sind, treten klinische Symptome einer Unterfunktion auf.
Auch falsche Ernährung (hier zumeist selbst zusammen gestellte Rationen) können zu einer Unterfunktion führen. Der Körper braucht Selen und Jod um Schilddrüsenhormon bilden zu können. Fehlen diese Spurenelemente kann der Körper die Hormone nicht in benötigter Form bilden.
Wie bereits oben erwähnt ist die Schilddrüse eine Diva- und dieses Divendasein hat sogar einen eigenen Namen „euthyroid sick syndrome“(ESS). Das bedeutet soviel wie: die Schilddrüse sieht aus wir krank da sie nicht genug messbares Hormon poduziert, ist sie aber nicht! Also: suche die Ursache, warum die Schilddrüse nicht arbeiten will/kann.
Dabei kann es sich um so etwas Profanes wie ein verabreichtes Medikament handeln.
Ein niedrig gemessener T4-Wert stellt uns also vor die Herausforderung: ist es wirklich eine Unterfunktion oder handelt es sich um ein ESS?
Natürlich haben wir das klinische Bild des Patienten und den Vorbericht (bekommt er eventuell Medikamente, die ein ESS vortäuschen können?).
Es gibt aber auch Hunderassen die physiologischerweise einen erniedrigten T4-Wert haben, auch bei älteren Hunden ist es normal, dass der T4-Wert im Alter niedriger wird.


Blutuntersuchung bei Verdacht auf Schilddrüsenunterfunktion

Um ein ESS auszuschließen messen wir einen weiteren Blutwert: TSH (= Thyroidea stimulierendes Hormon)- quasi der Impulsgeber der Schilddrüse. Ist dieser Wert niedrig-normal ist es dem Körper relativ egal, dass der T4 Wert erniedrigt ist. Man kann also davon ausgehen, dass keine Unterfunktion vorliegt.
Ist dieser Wert jedoch erhöht, zeigt das: der Körper gibt richtig Vollgas um die Schilddrüse zur Hormonproduktion anzutreiben. Und dennoch ist der T4 Wert niedrig. Wir können also von einer echten Unterfunktion ausgehen.
Nichtsdestotrotz gilt die Schilddrüsenunterfunktion als am meisten überdiagnostizierte Erkrankung der Hundemedizin, und das liegt- wen wundert es- am ESS.
Viele Hunde bekommen aufgrund eines einmalig gemessenen niedrigen T4-Wertes Schilddrüsenhormone verabreicht, ohne dass mittels weiterer Tests eventuell ESS auslösende Erkrankungen oder verabreichte Medikamente als Auslöser ausgeschlossen wurden.
Die Entwicklung einer Unterfunktion (wie oben erklärt) kann sich über mehrere Jahre hinziehen. In diesem Zeitraum können die gemessenen Werte noch im Normbereich liegen und nur langsam absinken. Hier kann z.B. eine Messung der Thyroidea-Antikörper Aufschluss geben, diese ist aber zum Teil nur im Anfangsstadium der Erkrankung aussagekräftig.


(Verdachts-)Therapie der Schilddrüsenunterfunktion

Stimmt die Klinik, ein ESS ist ausgeschlossen, aber die Schilddrüsenwerte sind noch in der Norm, aber eventuell im unteren Bereich, dann kann man versuchsweise eine Therapie mit Schilddrüsenhormonen (L-Thyroxin) einleiten. Dieser Therapieversuch gehört eindeutig in die Kategorie „diagnostische Therapie“, ist aber ohne großes Risiko für den Patienten möglich.
Stellt sich daraufhin eine Besserung der Symptome ein: Volltreffer. Wenn nicht, dann schleicht man sich wieder aus der Hormonsubstitution aus.
Wir testen bei Hunden ab einem bestimmten Alter routinemäßig die Schilddrüse mit und natürlich bei Hunden deren Vorbericht und Untersuchung eine Überprüfung sinnvoll erscheinen lassen, sollte der T4-Wert zu niedrig sein, leiten wir weitere Untersuchungen (mindestens TSH) zur weiteren Abklärung ein.


Sollten Sie hierzu Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an!


Dr. Judith Lubjuhn-Fischer, Michelstadt, April 2023

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